Call for Papers: Geographie-Werkstatt Österreich 2020, Gefundene Wahrheiten: Geographisch Forschen zwischen Fakt und Fake von 5. bis 7. März 2020
Ankündigung und Call for Papers
Geographie-Werkstatt Österreich 2020
Gefundene Wahrheiten: Geographisch Forschen zwischen Fakt und Fake
von 5. bis 7. März 2020
am Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz
Der Verband der wissenschaftlichen Geographie Österreichs (Geographieverband) richtet zum vierten Mal eine Geographie-Werkstatt aus. Diese im zweijährigen Turnus stattfindende Veranstaltung versteht sich als Nachwuchsformat und richtet sich in besonderer Weise an Geographinnen und Geographen an österreichischen Hochschulen in der Qualifizierungsphase, lädt aber auch alle anderen Interessierten zur Teilnahme und Mitwirkung ein. Die Tagung lädt zum Austausch über aktuelle geographische Forschungsthemen ein und bietet Keynote-Vorträge zum Schwerpunktthema aus Perspektiven von Geographiedidaktik, Humangeographie und Physischer Geographie. In Paper Sessions werden Dissertations- und Habilitationsvorhaben zur Diskussion gestellt. In ergänzenden Workshops werden Fragen der Forschungspraxis erörtert, vor allem im Hinblick auf die Anforderungen des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Geographie. Die Keynote-Speakers stehen dabei auch als Coaches für Nachwuchswissenschafter*innen in den Sessions zur Verfügung.
Um Einreichung von Abstracts (in deutscher oder englischer Sprache) für die Paper Sessions wird bis 17. Jänner 2020 gebeten. Wir bitten die Abstracts nach der Anmeldung unter https://geowerkstatt2020.uni-graz.at gesondert an geowerkstatt2020@uni-graz.at zu schicken. Die Beiträge können, müssen aber nicht in Verbindung mit dem Rahmenthema „Gefundene Wahrheiten“ stehen. Die Anmeldung zur Tagung (ohne eigenen Vortrag) ist bis 31. Jänner 2020 möglich. Es wird keine Tagungsgebühr erhoben.
Organisation und Kontakt
Ulrich Ermann im Namen des Organisationsteams am Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz sowie im Namen des Vorstands des Verbands der wissenschaftlichen Geographie Österreichs
E-Mail: geowerkstatt2020@uni-graz.at
Tagungsprogramm (vorläufig)
Donnerstag, 5. März 2020
ab 16:30 Uhr Anmeldung
17:30 Uhr Eröffnung der Geographie-Werkstatt Österreich 2020: Martin Polaschek (Rektor der Uni Graz), Thomas Glade (Geographieverband) und Wolfgang Schöner (Institut für Geographie und Raumforschung)
18:00 Uhr Keynote 1: Rüdiger Glaser (Uni Freiburg): Klimawandel in Perspektiven zwischen Fakt und Fake
19:00 Uhr Buffet und Get-together im Anschluss
Freitag, 6. März 2020
09:00 Uhr Keynote 2: Jürgen Oßenbrügge (Uni Hamburg): Humangeographie und die Krise der Faktizität. Wissenschaftliche Wahrheiten und Kämpfe um Deutungshoheit in populistischen Zeiten
09:45 Uhr Parallel Paper Sessions Slot 1
11:15 Uhr Kaffeepause
11:30 Uhr Workshop 1: Plagiarismus, Fake Journals/Fake Conferences/Fake Articles (Karin Lackner, Uni-Bibliothek Graz und Ulrich Ermann, Uni Graz)
12:45 Uhr Mittagspause (Uni Café)
14:15 Uhr Workshop 2: Begutachtungsprozesse, review writing und das Problem der Objektivität (Annalisa Colombino, Uni Graz, und Wolfgang Schöner, Uni Graz)
15:00 Uhr Parallel Paper Sessions Slot 2
16:30 Uhr Kaffeepause
17:00 Uhr Workshop 3: Wissenschaftskommunikation 1: Alles (nur) Show? Präsentation von Helmut Jungwirth (Uni Graz und Science Busters) mit Videoclips von und mit Studierenden und Promovierenden der Uni Graz
18:30 Uhr Abendessen
Samstag, 7. März 2020
09:00 Uhr Keynote 3: Verena Schreiber (Pädagogische Hochschule Freiburg): Alternative Wahrheiten in der Geographiedidaktik
09:45 Uhr Kaffeepause
10:15 Uhr Parallel Paper Sessions Slot 3
11:45 Uhr Workshop 4: Wissenschaftskommunikation 2: Daniel Lingenhöhl (Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg): Präsentation und Gespräch mit Helmut Jungwirth:
Popularisierung von Wissenschaft als antipopulistische Wissensvermittlung?
12:30 Uhr Mittagspause
13:30 Uhr Generalversammlung des Geographieverbands mit Strategiegespräch
17:00 Uhr Ende der Veranstaltung
Vortragende
Annalisa Colombino PhD, Universitätsassistentin für Humangeographie am Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz
Univ.-Prof. Dr. Ulrich Ermann, Professor für Humangeographie am Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz
Prof. Dr. Rüdiger Glaser, Professor für Physische Geographie am Institut für Umweltsystemwissenschaften der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Univ.-Prof. Dr. Helmut Jungwirth, Professor für Wissenschaftskommunikation und Leiter des Zentrums für Gesellschaft, Wissen und Kommunikation („die 7. fakultät“) sowie Ensemblemitglied
der „Science Busters“
MMag.a Karin Lackner, Mitarbeiterin des Bereichs Informationsdienste der Universitätsbibliothek der Universität Graz und Expertin für Fake Journals
Dr. Daniel Lingenhöhl, Chefredakteur „Spektrum der Wissenschaft“, Heidelberg
Prof. Dr. Jürgen Oßenbrügge, Professor für Wirtschaftsgeographie am Institut für Geographie der Universität Hamburg
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schöner, Professor für Physische Geographie am Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz
Jun.-Prof. Dr. Verena Schreiber, Juniorprofessorin für Geographie und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg
Rahmenthema: „Gefundene Wahrheiten: Geographisch Forschen zwischen Fakt und Fake“
Das Ziel von Wissenschaft ist es, Wahrheit zu finden und gegen Angriffe zu verteidigen. In einer reflexiven Grundperspektive werden „geographische Fakten“ schon lange nicht mehr als beobachtungsunabhängige Tatsachen verstanden. Vielmehr gelten „Fakten“ – ganz im wörtlichen Sinn – als etwas „Gemachtes“: hergestellt durch Praktiken des Forschens nach Normen wissenschaftlicher Denkweisen und Methoden, die zwangsläufig kontingent, situiert und damit immer auch interessengeleitet sind. Insofern ist jede Wahrheitsfindung zugleich eine Wahrheitserfindung. Gefundene/erfundene Wahrheiten ermöglichen nur dann neue Erkenntnisse, wenn sie immer wieder angezweifelt und der Kritik unterzogen werden.
In Zeiten, in denen von der post-truth-society, der „postfaktischen Politik“ und der – durch social media allgegenwärtigen – alternative facts die Rede ist, wird von der Wissenschaft in besonderer Weise erwartet, Wissen bereitzustellen, das Fakten klar von fake und fiction unterscheiden lässt. Die kritische Wissenschaft gerät mit dieser Erwartungshaltung in Bedrängnis, zumal zunehmend Argumente einer kritischen Perspektive gekapert werden: So wird z.B. im Zuge der sogenannten Klimawandelleugnung gerne argumentiert, die Wahrheit werde von Wissenschafter*innen gepachtet, die schlicht in der Mehrheit seien und von bestimmten politischen und wirtschaftlichen Interessen geleitet würden. Dem Vorwurf, Verschwörungstheorien zu verbreiten, wird entgegengehalten, in der Wissenschaftsgeschichte gebe es viele Beispiele, in denen wahre Erkenntnisse kaum gegen die Dominanz der Dogmen und Wissenskartelle durchsetzbar war.
Die kritische und konstruktive Wissenschaft tut sich schwer, sich klar von „alternativen Fakten“ jenseits der offensichtlichen Fälschung und Lüge abzugrenzen, wenn sie doch selbst betont, es gebe oft mehr als nur eine Wahrheit. Der „Fake“ liegt (möglicherweise sogar etymologisch) manchmal gar nicht so weit vom „Fakt“ entfernt: Beides sind „Erfindungen“. Wissenschaftliche Erkenntnis wird nicht einfach auf der Straße „gefunden“, sondern muss oft erst mühsam „erfunden“ werden. Unwahrheiten entstehen keineswegs nur durch bewusste Fehlinformation, sondern oft als Folge von Fehlern in der wissenschaftlichen Methode oder beim Umgang mit Quellen. Das Finden von Fehlern ist wiederum auch eine essentielle Grundvoraussetzung der Wahrheitsfindung.
Wie halten wir es vor diesem Hintergrund in der geographischen Forschung mit der Wahrheit? Neigen wir mit einem Einsatz für die Anerkennung des Klimawandels als „Faktum“ zu dogmatischen und wenig kritikfähigen Lehrmeinungen oder verbauen wir uns mit zu selbstkritischen Fragen eine wichtige Positionierung? Reproduzieren wir beim Einsatz gegen rechtspopulistische Positionen – z.B. in den gegenwärtigen Migrationsdebatten – nicht oft die Denkfiguren der Populisten, nur mit anderen Vorzeichen? Wie gehen wir mit der dezentralen und oft undurchsichtigen Produktion „digitaler Fakten“ in der Geoinformation und der Geovisualisierung im Zuge der in viele Bereiche des Alltagslebens Einzug haltenden Digitalisierung um? Mit welchen Konzepten können wir in der Geographiedidaktik Schülerinnen und Schülern ein Gespür dafür vermitteln, dass es auf viele Fragen durchaus mehrere (alternative) Wahrheiten gibt, und gleichzeitig ihre Kompetenz fördern, zwischen (guten) „echten“ und (schlechten) „alternativen“ Fakten zu unterscheiden?
Call for Papers (PDF)