Überspringen zu Hauptinhalt

Bericht zum internationalen Workshop „Reshaping European cities? – Exploring policies, practices and everyday realities concerning ‛Airbnbification’“

 

Wie verändern Kurzzeitvermietungen (u.a. Airbnb) unsere Städte?

 

Der Städtetourismus boomt. Immer mehr Reisende benutzen Online-Plattformen wie Airbnb, um ihren Aufenthalt zu organisieren. Gleichzeitig sorgt dies für erheblichen Druck auf lokalen Wohnungsmärkten. Wie gehen Städte mit dieser Entwicklung um? Was bedeutet dies für Nachbarschaften und Stadtquartiere? Wer profitiert von dieser Entwicklung; was sind die negativen Konsequenzen? Und wie lässt sich dieses Phänomen methodisch untersuchen? Diese und weitere Fragen diskutierten 13 Vortragende aus Universitäten in 8 Ländern (Österreich, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Portugal, Schweden, Schweiz) am 24. und 25. November 2017 im Rahmen des Workshops „Reshaping European cities? – Exploring policies, practices and everyday realities concerning ‛Airbnbification’”am Fachbereich Geographie und Geologie der Universität Salzburg.

 

Der Workshop zeigte, dass disruptive Geschäftsmodelle im Zeitalter eines digitalen Kapitalismus, konkret Internet-Plattformen, die mit Kurzzeitvermietung von Zimmern, Wohnungen und ganzen Häusern handeln, eine Reihe von (neuen) Forschungsfragen aufwerfen, die innerhalb der Geographie, aber auch in Nachbardisziplinen wie Politikwissenschaft, Soziologie, Stadtplanung, Stadt- und Regionalforschung sowie Medienwissenschaften bis hin zum Datenjournalismus intensiv diskutiert werden. In diesem dynamischen Forschungsfeld fokussierte der internationale Workshop drei Themenkomplexe: i) Stadtpolitik und Kurzzeitvermietungen – Ansätze und Handlungsmöglichkeiten ii) Kurzzeitvermietungen und Gentrifizierung iii) Kurzzeitvermietungen und urbaner Alltag – zwischen Kommodifizierung, Coping-Strategie und Widerstand.

 

Im Themenkomplex „Stadtpolitik und Kurzzeitvermietungen – Ansätze und Handlungsmöglichkeiten“ zeigte Francesca Artioli (Paris) Ergebnisse einer europaweiten Vergleichsstudie. Konkret hat sie untersucht, wie Stadtpolitik in Amsterdam, Barcelona, Berlin, London, Mailand und Paris mit dem enormen Anstieg von Kurzzeitvermietungen umgeht. Das Problem besteht nicht darin, dass es keine Regelungen und Beschränkungen gibt, so Artioli. Vielmehr stellt die operative Umsetzung von „Zwecksentfremdungsgesetzen“ (Berlin), zeitlichen Beschränkungen (u.a. Amsterdam, Paris) oder Zonierungen (u.a. Barcelona) eine wesentlich größere Schwierigkeit dar. Zugleich wächst mit Airbnb etc. ein neuer global player heran, der aufgrund seiner Ressourcen auf unterschiedlichen räumlichen scales spielt. Dem pflichtete Felix Holzmannhofer (Stadt Salzburg) bei, der eine Taskforce der Stadt Salzburg zum Thema „Kurzzeitvermietungen“ leitet. Holzmannhofer plädierte dafür, dass sich Städte nicht so sehr auf mögliche „Ortstaxen“ fokussieren sollten, da dies sowieso nur geringe Beträge generiere. Aufgrund der eklatanten Auswirkungen auf Wohnungsmärkten geht es vielmehr darum, klare raumordnerische Vorgaben aufzustellen, die Wohnungsmärkte als Ganzes schützen, so Holzmannhofer. Philipp Katsinas (London) zeigte in einer empirischen Fallstudie, wie sich die Stadt Thessaloniki strategisch als tourist city positioniert. Gleichzeitig sind die Airbnb-Angebote in Thessaloniki innerhalb von zwei Jahren um über 190% gestiegen, wobei fast ausschließlich ganze Wohnungen (84% aller Angebote) über längeren Zeitraum oder gar dauerhaft von sogenannten multi-listing hosts vermietet werden. Die Konzentration von ganzen Wohnungen, die von multi-listing hosts angeboten werden, bestätigen auch andere Vorträge aus Wien, Lissabon, Kopenhagen und Reykjavik, womit der Mythos der sogenannten „sharing economy“ ernsthaft in Frage gestellt wird.

 

Parallel ging es in allen Beiträgen auch um die Frage, mit welchen methodischen Zugängen dieses Phänomen untersucht werden kann. Hierzu präsentierte Jonas Parnow (Berlin) zu Beginn des zweiten Themenkomplexes (Kurzzeitvermietungen und Gentrifizierung) methodische Einsichten aus dem preisgekrönten Projekt „Airbnb vs. Berlin“, das mittels scrapping Airbnb-Daten für Berlin generiert und analysiert hat. Ebenfalls mittels scrapping haben Roman Seidl, Leonhard Plank und Justin Kadi (Wien) die Auswirkungen von Kurzzeitvermietungen auf dem Wiener Wohnungsmarkt analysiert. Hierzu haben sie außerdem statistische Sekundärdaten herangezogen und mit Kartenmaterial verschnitten. Seidl et al. kommen zu dem Fazit, dass sich Airbnb in Wien zusehends zu einem kommerziellen Immobilienangebotsmodell entwickelt, an dem wenige professionelle Anbieter in ausgesuchten Innenstadtlagen außerordentlich profitieren.

 

Zum komplexen Zusammenhang zwischen „Kurzzeitvermietungen und Gentrifizierung“ zeigte Anne-Cécile Mermet (Neuchâtel) in ihrer qualitativen Studie zu Typologien der ‚hosts‘, also der Akteure auf der Angebotsseite, dass deren Motive von Einkommensaufstockung bis hin zu reiner Geldanlage mittels Immobilienerwerb für Kurzzeitvermietungen reichen und sie damit sowohl selbst zur Verknappung auf dem Wohnungsmarkt beitragen und gleichzeitig davon direkt oder indirekt betroffen sind. Mathilde Dissing Christensen (Roskilde) stellte im Themenkomplex “Kurzzeitvermietungen und urbaner Alltag” ebenfalls neue Praktiken der ‚hosts‘ in Philadelphia und Kopenhagen in den Mittelpunkt. Aus ihrer mikrosoziologischen Untersuchung haben sich fünf Typen von Airbnb-Anbietern ergeben, die vom „unternehmerischen“ ‚host‘ (professioneller Kurzzeitvermieter) bis hin zum prekären ‚host‘ (der paradoxerweise nur mittels Airbnb genug finanzielle Mittel aufbringt, um auf den angespannten Wohnungsmärkten in Philadelphia und Kopenhagen zu bestehen) reichen.

 

Gentrifizierung von Quartieren durch externe Akteure war der Fokus der ethnographischen Studie
von Ana Gago (Lissabon), die eine dramatische Veränderung in der BewohnerInnenstruktur eines
Lissaboner Altstadtviertels über zwei Jahre beobachtet und untersucht hat. In diesem Zusammenhang hat sie recherchiert und kartiert, dass mittlerweile 235 von fast tausend Wohnungen zum touristischen Zwecke der Kurzzeitvermietungen angeboten werden, wobei nur 2 von 235 dem Bild der shared apartments entsprechen. Alle anderen Wohnungen sind dem Wohnungsmarkt dauerhaft entzogen, woran Inwertsetzungsstrategien der öffentlichen Hand ebenfalls ihren Anteil haben.

 

Theoriegeleitete Fallstudien auf der Baleareninsel Mallorca stellten Ismael Yrigoy (Uppsala) und Nora Müller (Tübingen) vor. Während Ismael Yrigoy für die Inselhauptstadt Palma untersucht, inwiefern die empirische Evidenz zu Kurzzeitvermietungen mit Kapitalverwertungsprozessen innerhalb des städtischen Bodenmarktes nach der Rent-Gap-Theory erklärt werden können, untersuchte Nora Müller mittels David Harveys Kapitalkreislaufansätzen und einer Operationalisierung der ‘urban growth machine’ die jüngste Entwicklung der Gemeinde Pollença. Das Fazit ihrer qualitativen Studie lautet, dass es in Pollença eine tradierte lokale Rentier-Klasse gibt, die von lokalen Grundbesitzern über Ferienagenturen bis hin zur lokalen Stadtverwaltung reicht.

 

Johannes Novy (Cardiff) stellte in seinem Keynote-Vortrag die These auf, dass Kurzzeitvermietungen so viel Aufmerksamkeit in verschiedenen Disziplinen erfahren, weil das Phänomen an viel breitere und umfassendere Fragestellungen und Konflikte rührt, die sich in räumlichen Konsumptionen, Raumproduktionen und Kommodfizierungen äußern, für die etablierte Begrifflichkeiten wie Städetourismus oder Gentrifizierung nicht mehr hinreichend sind.

 

Vorläufiges Fazit:
Die sehr fundierten Vorträge und die hervorragenden Diskussionen haben dazu geführt, dass die TeilnehmerInnen beschlossen haben, den Austausch zu intensiveren. Eine erste Gelegenheit hierfür ist ein Special Issue, das als Ergebnis dieses Workshops in einer renommierten Fachzeitschrift entstehen wird.

 

Der Workshop war zudem für die Teilnahme von Masterstudierenden (MSc Geographie) und DoktorandInnen aus zwei Doctorate Schools der Universität Salzburg geöffnet und das Programm
gab mit Zeit für Diskussionen nach den einzelnen Vorträgen viel Raum für den Gedankenaustausch. Ein gemeinsames Abendessen im Tagungshotel (Freitag) und ein Besuch des Salzburger Christkindlmarkts am Dom- und Residenzplatz, einem der ältesten Adventmärkte der Welt, rundeten das Workshop-Programm ab.

Workshop

TeilnehmerInnen des internationalen Workshops „Reshaping European cities? – Exploring policies, practices and everyday realities concerning ‛Airbnbification’”am Fachbereich Geographie und Geologie der Universität Salzburg am 24. und 25. November 2017
Foto: Andreas Van-Hametner

 

Angela Hof und Christian Smigiel (Salzburg)

 
 

Workshopbericht (PDF)

An den Anfang scrollen
Suche